Hintergrund

Bist du ein #retourensohn?

Digital-Insider Michael Atug startet Projekt gegen Verschwendung im Online-Handel

Schuhe, Kleider, Waschmaschinen oder Handys: Kaum beim Kunden angekommen, werden neuwertige Waren oft postwendend zurück an die Händler geschickt – und zum großen Teil vernichtet. Der Versand von Retouren hat sich längst zu einem weltweiten Volkssport entwickelt. Und Deutschland ist dank 280 Millionen retournierter Artikel pro Jahr Europameister. Welche Folgen dies für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft hat, zeigt E-Commerce-Pionier Michael Atug mit seinem Projekt #retourensohn. Auf der gleichnamigen Website teilt er dabei seine Erfahrung als Gründer, Unternehmer, Visionär, Investor und Berater, um Konsumenten und Händlern gleichermaßen Lösungswege aufzuzeigen. Sein Ansatz: Erst denken, dann bestellen.

Brandneue Produkte werden wie Abfall behandelt

„Wir leben in einer Zeit, in der jeder alles sofort haben möchte“, sagt Michael Atug. „Den meisten Menschen sind die Konsequenzen dieses Verhaltens entweder nicht bewusst oder schlichtweg egal. Das möchte ich ändern.“ Aktuelle Recherchen des ZDF zeigen die Brisanz des Themas. Demnach vernichtet allein Amazon in Deutschland jeden Tag Waren im Wert von mehreren zehntausend Euro. Dabei handelt es sich nicht um beschädigte Produkte. Im Gegenteil. Die meisten Retouren sind in völlig einwandfreiem Zustand. Ihr einziger Fehler: Sie gefallen dem Kunden nicht.

Ungeduld führt zu Verschwendungssucht

So werden jährlich bis zu 300 Millionen Retouren an die Händler und Hersteller versendet. Das ist jedes sechste Paket. Besonders häufig wird Bekleidung zurückgeschickt, die für eine Anprobe bestellt wurde. Passt eine Hose nicht oder entspricht die Farbe nicht den Erwartungen, gehen oft gleich mehrere Kleidungsstücke zurück an den Händler. Für diesen ist die Vernichtung der Artikel dann meist günstiger als die Rückführung in den Handel. „Der Umgang mit Waren ist unglaublich beliebig geworden“, so Michael Atug. Denn kaum jemand beschäftige sich vor dem Kauf intensiv mit den Produkten. „Dank Amazon Prime und ähnlichen Angeboten verlieren wir das Bewusstsein für den Wert der Waren. Wir sind bequem geworden und haben es uns in einer Welt gemütlich gemacht, in der nahezu jedes Produkt innerhalb von 24 Stunden geliefert wird. Zeit für eine intensive Produktrecherche nimmt sich doch kaum jemand.“ Und so sei es kaum verwunderlich, wenn viele Produkte dann nicht den hohen Ansprüchen der Kunden genügen.

Das Märchen vom kostenlosen Versand

Die Folge sind gestresste, ausgebeutete Paketboten und ein enormer ökologischer Fingerabdruck. Allein die Retouren in Deutschland verursachen täglich einen Ausstoß von 238.000 Tonnen CO2. Das entspricht 2.200 Autofahrten von Hamburg bis nach Moskau. Das ist aber noch nicht alles. „Durch die Retouren entstehen Kosten in Höhe von rund 5,5 Milliarden Euro. Diese werden von den Händlern an die Kunden weitergegeben“, so Michael Atug. Und: „Auch, wenn viele Menschen den Versprechungen glauben – einen kostenlosen Versand gibt es nicht. Irgendjemand zahlt immer.“ Retouren belasten also Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen und eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht, oder?

Raus aus der Lethargie: Strategien für mehr Nachhaltigkeit im Online-Handel

„Jeder von uns ist Konsument und kann etwas tun“, so Michael Atug. Als Beispiel nennt er den Verzicht auf unnötige Express-Lieferungen. „Denn mal ehrlich: Auf die meisten Waren könnten wir locker einige Tage warten.“ Hier sei Ungeduld das eigentliche Problem. Genauso überflüssig seien zweite Zustelltage. „Das Paket kann beim Nachbarn oder an einer Packstation abgegeben werden. Der Paketbote spart sich die erneute Anfahrt, hat weniger Zeitdruck und der CO2-Ausstoss ist auch geringer.“

Und die Händler? „Umweltfreundliche Verpackungen oder Füllmaterialien wären ein guter Anfang.“ So hat Michael Atug im eigenen Unternehmen zeitweise bereits benutzte Kartons für den erneuten Versand wiederverwertet. „Natürlich hatten diese Kartons manchmal Macken. Für den Versand waren sie aber dennoch völlig in Ordnung.“ Doch nicht bei allen Kunden kam diese nachhaltige Zweitverwertung gut an. „Teilweise habe ich schlechte Bewertungen bekommen, weil am Karton eine Ecke eingedrückt war. Das kann ich in keiner Weise nachvollziehen, da das verpackte Produkt im einwandfreien Zustand geliefert wurde. Und nur darauf kommt es an.“ Kunden sollten lieber Händler unterstützen, die auf diese Weise Ressourcen einsparen. Eine Idee seien auch Sticker, über die auf dem Karton erklärt wird, warum eine Karton-Zweitverwertung der Umwelt und damit auch dem Empfänger – also dem Kunden nützt. Genauso wichtig seien aber detaillierte Produktbeschreibungen, die dafür sorgen, dass die Kunden exakt die Ware erhalten, die sie sich wünschen. „Wenn sich dennoch nichts ändert, sollten die sogenannten kostenlosen Retouren abgeschafft werden.“ Die Kosten müsse dann eben der Verbraucher zahlen. „Wenn dieser Irrsinn so endlich beendet wird, ist das meiner Meinung nach eine faire Lösung.“
Weitere Infos auf https://retourensohn.de

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